Deutschland ist zwischenzeitlich nun auch in erheblichem Maß vom Corona-Virus betroffen. Die Fallzahlen steigen ständig weiter und betreffen alle Bereiche und im besonderen Maße auch das Arbeitsleben. Welche Konsequenzen ergeben sich für Arbeitnehmer und Arbeitgeber? Wir haben die aus unserer Sicht am häufigsten gestellten Fragen zusammengefasst.
1. Kann ich wegen der Ansteckungsgefahr einfach zu Hause bleiben?
Nein. Das Wegerisiko ist das Risiko des Arbeitnehmers; ähnlich wie bei extremen Witterungsverhältnissen und dadurch bedingtem Zuspätkommen. Sollten Arbeitnehmer trotzdem aus Angst daheim bleiben, haben sie keinen Anspruch auf Vergütung. Dies kann auch nicht dadurch gelöst werden, dass die Arbeitsleistung zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt wird. Es handelt sich bei der Arbeitsleistung um eine sogenannte Fixschuld; d. h. die Arbeitsleistung am 16.03.2020 ist nicht dieselbe wie die am 15.05.2020.
Man kann sich im Falle von Corona auch nicht darauf berufen, dass eine Pandemie droht. Das unentschuldigte Fehlen kann auch weitere arbeitsrechtliche Konsequenzen wie eine Abmahnung und Kündigung nach sich ziehen.
2. Kann ich vom Arbeitgeber verlangen, einen Homeoffice-Arbeitsplatz einzurichten?
Nein. Ein Rechtsanspruch auf Homeoffice besteht nicht. Der Arbeitnehmer kann dies nicht einseitig bestimmen (kein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht.) In vielen Fällen gewähren die Arbeitgeber jedoch Homeoffice, wenn es sich mit der jeweiligen Arbeitsleistung vereinbaren lässt und zugleich der Datenschutz gewahrt werden kann.
3. Wenn der Arbeitgeber von der Arbeit freistellt, bekomme ich dann eine Vergütung?
Wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer von der Arbeitsleistung freistellt, dann ist währenddessen die übliche Vergütung weiterzubezahlen.
4. Was ist, wenn der Arbeitgeber selbst von Corona betroffen ist, also wegen Lieferengpässen nicht produziert werden kann?
Das Wirtschaftsrisiko, also das Risiko, ob produziert werden kann, ist das Risiko des Arbeitgebers. Ähnlich verhält es sich, wenn der Betrieb aus technischen Gründen nicht betrieben werden kann, etwa wegen Stromausfall.
Wenn Teile für die Produktion oder Vorprodukte von Zulieferern nicht geliefert werden können, etwa weil sie auch China kommen und infolgedessen die Produktion ausfällt, ist dies das Risiko des Arbeitgebers. Der Arbeitnehmer könnte ja seine Leistung erbringen; diese fällt ja nur deshalb aus, weil der Arbeitgeber keine Arbeit mehr zur Verfügung stellen kann.
5. Was ist, wenn für den Arbeitnehmer ein Verdacht auf eine Infektion besteht? Wer muss während dieser Zeit die Vergütung zahlen und was ist, wenn sich der Coronaverdacht bestätigt?
Im Falle eines Verdachts auf Corona besteht ein Anspruch auf Entschädigung gem. § 56 Abs. 1 S. 1 IfSG (Infektionsschutzgesetz) und zwar dann, wenn behördlicherseits ein Beschäftigungsverbot nach dem Infektionsschutzgesetz angeordnet wurde, § 31 IfSG. Eine Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber findet erst im Erkrankungsfalle statt, da Grund für die Arbeitsverhinderung zunächst nur das Beschäftigungsverbot ist. In vielen Fällen besteht lediglich ein Verdacht.
Für den Fall der Anordnung von Quarantäne, § 30 IfSG wird gleichfalls ein Beschäftigungsverbot ausgesprochen werden. In diesem Fall ergibt sich aus § 56 IfSG ein Entschädigungsanspruch. Da der Arbeitnehmer nicht erkrankt ist, hat er auch keinen Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.
Sollte der Arbeitnehmer tatsächlich am Coronavirus erkranken, dann hat er – wie bei jeder anderen Erkrankung auch – einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung für die Dauer von 6 Wochen. Wird zugleich aufgrund der Erkrankung am Coronavirus behördlicherseits ein Beschäftigungsverbot ausgesprochen, dann besteht der oben benannte Entschädigungsanspruch nach § 56 IfSG. Der Arbeitnehmer hat daher an sich 2 Ansprüche, den auf Entgeltfortzahlung § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz und den Entschädigungsanspruch nach § 56 IfSG.
In der Praxis läuft dies meist ähnlich wie bei Erkrankungen etwa infolge eines Verkehrsunfalles (Ersatzpflicht durch die Haftpflichtversicherung) ab; der Arbeitgeber tritt mit der Entgeltfortzahlung zunächst in Vorleistung und erhält anschließend die Entgeltfortzahlung durch den Entschädigungsanspruch nach dem Infektionsschutzgesetz erstattet. Der Arbeitgeber ist verpflichtet in Vorleistung zu treten.
6. Was geschieht, wenn der Betrieb aufgrund behördlicher Anordnung geschlossen wird wie aktuell bei Kitas und Schulen? Hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Vergütung?
Wenn der gesamte Betrieb geschlossen wird, weil für den Betrieb in Gänze oder bezüglich einzelner Arbeitnehmergruppen ein erhöhtes Infektionsrisiko besteht, wie etwa aktuell die Schließung der Schulen und Kindergärten, dann ist im jeweiligen Einzelfall zu prüfen, ob ein sog. Betriebsrisiko vorliegt. Klassischerweise handelt sich beim Betriebsrisiko um die Fälle in denen der Betrieb nicht aufrechterhalten werden kann, obwohl den Arbeitgeber kein Verschulden trifft; wie etwa Hochwasser, Ausfall der elektrischen Energie oder von Rohstoffen usw.
Für den Fall einer behördlichen Betriebsschließung ist zu prüfen, ob das Risiko von behördlichen Maßnahmen durch die Art des Betriebs selbst begründet ist.
Dies betrifft daher etwa Hochschulen und Universitäten, Kindergärten, Schulen, sonstige allgemein zugängliche Betriebe und Verwaltungen, Veranstaltungen, Messen, Geschäfte, Gastronomiebetriebe, Kinos, Theater, Schwimmbäder usw.
Bei Betrieben dieser Art dürfte die Eigenart des Betriebes die Verwirklichung des Risikos nach sich ziehen mit der Folge, dass der Arbeitgeber dieses sog. Betriebsrisiko zu tragen und die Vergütung fortzuzahlen hat.
Die Entschädigungsansprüche nach § 56 IfSG sind zu prüfen; sowohl für Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber.
7. Was geschieht, wenn dem Arbeitnehmer infolge von Corona die Arbeit untersagt wird?
Der Arbeitnehmer hat einen Anspruch auf Entschädigung gem. § 56 IfSG. Dabei geht der Arbeitgeber in Vorleistung wie oben unter 5 erläutert. Der Arbeitgeber kann einen Vorschuss für die Entgeltzahlungen verlangen. Dies dürfte vor allem für Kleinunternehmen interessant sein.
Zu beachten ist in diesem Zusammenhang die Frist von 3 Monaten für die Antragstellung auf Erstattung der gezahlten Vergütung. Die Frist beginnt mit Einstellung der verbotenen Tätigkeit oder des Beginns der Quarantäne, § 56 Abs. 11 IfSG.
Vielfach wird vertreten, es läge auch ein Erstattungsanspruch nach § 616 BGB vor. Dies gilt grundsätzlich dann, wenn ein Arbeitnehmer aus persönlichen Gründen für eine vorübergehende und kurze Zeit seine Arbeitsleistung nicht erbringen kann. Klassiker in diesem Zusammenhang ist die Beerdigung von nahen Angehörigen, die Niederkunft der Ehefrau u. ä. Infektionen kommen hier zwar grundsätzlich auch in Betracht; allerdings müssen diese m. E. berufsbedingt sehr speziell sein. Ist jedoch das gesamte Unternehmen betroffen oder liegt wie aktuell eine allgemeine Pandemie vor, dann besteht ein allgemeines und kein individuell persönliches Leistungshindernis des Arbeitnehmers.
Die künftige Rechtsprechung wird zeigen, wie im Fall des Coronavirus damit umgegangen wird. Interessant ist es vor allem deshalb weil für den Fall einer Verpflichtung des Arbeitgebers nach § 616 BGB kein Entschädigungsanspruch nach § 56 IfSG besteht. Arbeitgeber sind daher gehalten gegenüber den Behörden bei der Geltendmachung von Erstattungsansprüchen nach dem Infektionsschutzgesetz mit dem allgemeinen Leistungshindernis wegen der Betriebsschließung bzw. der allgemeinen Pandemie, die jeden betreffen kann, zu argumentieren. Eine Pandemie muss auch von keinem Arbeitgeber finanziell eingeplant werden. Hier werden sich je nach Umfang der Coronakrise und dem damit verbundenen finanziellen Aufwand durchaus Fälle ergeben, in denen Streitigkeiten mit Behörden über eine Erstattungspflicht entstehen.
8. Was ist, wenn ein Arbeitnehmer die Arbeitsleistung nicht erbringen kann, weil die Schulen und Kindergärten geschlossen sind?
Dieser Umstand betrifft ab 16.03.2020 die meisten Arbeitnehmer in ganz Deutschland, da nunmehr sämtliche Schulen und Kindergärten zunächst bis Ostern geschlossen sind.
In diesem Fall besteht die ungünstige Konstellation, dass ein Entschädigungsanspruch nach dem Infektionsschutzgesetz besteht. Es kommt hier allerdings grundsätzlich eine Verpflichtung des Arbeitgebers nach § 616 BGB in Betracht, da es den Arbeitnehmern aus persönlichen Gründen (mangelnde anderweitige Betreuungsmöglichkeit) nicht möglich ist, ihrer Verpflichtung zur Arbeitsleistung nachzugehen. Für den Zeitraum von 10 Tagen wird man hier von einer Verpflichtung des Arbeitgebers ausgehen können. Die Schwierigkeit in diesem Zusammenhang ist, wenn die Schließung der Betreuungseinrichtungen von vorneherein länger angeordnet wurde. Dann ist nicht etwa eine Vergütungszahlung für die Dauer von 10 Tagen vom Arbeitgeber vorzunehmen und der Arbeitnehmer hat sozusagen ab dem 11. Tag eine Lücke; in diesem Fall besteht von Haus aus gar kein Anspruch, da von vorneherein schon keine „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ im Sinne des Gesetzes vorlag, sondern eben eine erhebliche.
Die Regelung des § 616 BGB kann im Arbeitsvertrag auch ausgeschlossen werden. Allerdings gelten hierfür seit der sog. Schuldrechtsreform strenge Anforderungen an die Gestaltung derartiger Regelungen. Es lohnt sich daher im Einzelfall die konkrete Regelung im Vertrag zu prüfen, um festzustellen, ob ein Anspruch auf Zahlung der Vergütung besteht.
Ein Anspruch gegen die Krankenkasse wegen Erkrankung des Kindes besteht nicht, da das Kind ja nicht erkrankt ist.
9. Zu welchen Maßnahmen ist der Arbeitgeber in Bezug auf Corona verpflichtet?
Den Arbeitgeber treffen vielfältige sog. vertragliche Nebenpflichten, sog. Fürsorge- und Schutzpflichten. Hierunter fällt natürlich auch der Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer. Aktuell kommen dafür etwa Maßnahmen zur verstärkten Hygiene in Betracht; dies dergestalt dass etwa Desinfektionsmittel bereitzustellen und die Mitarbeiter auf die Benutzung hinzuweisen und die Einhaltung der Hygiene zu prüfen ist.
Es wird auch Arbeitnehmer geben, die eigene Maßnahmen zur Vorsorge treffen wollen, wie etwa das Tragen von Atemschutzmasken. Ob der Arbeitnehmer hierzu berechtigt ist, hängt davon ab, ob er bei Erbringung der Arbeitsleistung regelmäßig in Kontakt mit potentiell infizierten Personen in Kontakt kommen kann. Vorstellbar ist dies etwa im medizinischen Bereich, am Flughafen oder auch in Supermärkten.
Aktuell wird sich auch die Frage stellen, ob der Arbeitgeber Arbeitnehmer bei einem Verdacht auf Infektion freistellen kann. Klar ist in diesem Zusammenhang, dass bei Freistellung durch den Arbeitgeber die Vergütung weiterhin zu zahlen ist. Der Arbeitnehmer hat jedoch einen Anspruch auf Beschäftigung, weswegen Arbeitgeber nicht ohne Weiteres freigestellt werden können. Meist sind Arbeitnehmer mit einer Freistellung einverstanden, da die Vergütung fortgezahlt wird. Es wird jedoch auch Arbeitnehmer geben, die nicht freigestellt werden wollen. Ob dies möglich ist, wird davon abhängen, ob der Arbeitgeber für die Freistellung einzelner Arbeitnehmer sachliche Gründe für eine Differenzierung zwischen einzelnen Arbeitnehmern hat.
In Anbetracht der aktuellen Situation wird der Arbeitgeber wohl durchaus freistellen können, etwa dann wenn einzelne Symptome auftreten oder der Arbeitnehmer vorher in einem Risikogebiet im Urlaub war.
10. Können Arbeitgeber noch Dienstreisen in Gefahrengebiete anordnen?
Der Arbeitgeber kann zwar eine solche Dienstreise anordnen. Wenn allerdings für den Zielort eine Reisewarnung herausgegeben wurde, dann darf der Arbeitnehmer den Antritt der Reise verweigern. Arbeitsrechtliche Konsequenzen ergeben sich für den Arbeitnehmer aufgrund der Weigerung jedoch nicht.
11. Können Arbeitgeber bei der Agentur für Arbeit Kurzarbeitergeld infolge von Corona beantragen?
In der aktuellen Situation wird wohl relativ einfach Kurzarbeitergeld gewährt werden. Es wurde mitgeteilt, dass bei Arbeitsausfall im Zusammenhang mit dem Coronavirus in der Regel von einem unabwendbaren Ereignis bzw. wirtschaftlichen Gründen auszugehen ist (§ 96 Abs. 1 Nr. 1 SGB III) und deshalb konjunkturelles Kurzarbeitergeld gewährt werden wird. Dies gilt vor allem dann, wenn der Betrieb etwa durch behördlichen Maßnahmen geschlossen wird.
Betroffene Unternehmen müssen die Kurzarbeit bei der Agentur für Arbeit anzeigen und einen entsprechenden Antrag stellen.